DJANGO BATES (2000)

EIN MUSIKALISCHES SCHLÜSSELERLEBNIS WAR FÜR MICH...

playing with Dudu (Pukwana)

EIN VÖLLIGER FEHLKAUF WAR DIE PLATTE...

(lacht) Diese Pause ist entstanden, weil mir klar geworden ist, wie lange ich schon keine Platte mehr gekauft habe. Ich finde andere Wege, an sie heranzukommen. Klingt ein wenig so, als würde ich sie selber herstellen, nicht wahr? Ich muss nachdenken: was habe ich gekauft, was Geldverschwendung war? Die letzte wirklich gute Single von Whitney Houston, ich glaube, sie hiess "Okay". Das Stück hat einen fantastischen Groove, dank einersehr ausgefallen Schlagzeug-Programmierung, mit einer sehr hoch klingenden Triangel an einer völlig unüblichen Stelle. Ich dachte mir: "Das ist wirklich Komposition." Also habe ich die ganze CD gekauft - und das war nun wirklich ein Fehler. Es gibt einen guten Track darauf, der Rest ist Schrott.

MAN KÖNNTE MICH NACHTS WECKEN FÜR...

In meiner Nachbarschaft gibt´s eine Kneipe mit richtig gutem Bier. In den meisten englischen Kneipen kann man das Bier ja vergessen. Ich könnte mir vorstellen, dass jemand anruft und sagt: "Du, hier ist eine neue Lieferung aus Ringwood eingetroffen.Ein Wahnsinns-Bier. Du must sofort vorbeikommen!" Dummerweise werden die Öffnungszeiten englischer Pubs einen solchen Anruf nicht zulassen, jedenfalls nicht nachts. Aber schön wär´s schon. Vor einiger Zeit lief im Fernsehen mal eine tolle Dokumentation über Charles Ives. Die Sendung konzentrierte sich auf dessen Vater, sie hatte eine sehr kreative und ausgefallene Form. Dafür habe ich in der Tat meine Freundin aufgeweckt. Und dafür würde ich mich auch gerne wecken lassen.

ES FÄLLT MIR SCHWER ZUZUGEBEN, ABER ICH STEHE WIRKLICH AUF...

Ich denke, ich sollte mich wegen gar nichts schämen.

EINE MUSIK, DIE ICH MIR NOCH ERARBEITEN MUSS, IST...

Zeitgenössische klassische Musik a la Harrison Birtwhistle.

EIN MUSIKALISCHER TRAUM VON MIR IST...

...als Komponist an einem guten Film mit fast dem gleichen Anteil wie der Regisseur vertreten zu sein.

WICHTIGER ALS MUSIK IST MIR...

probably nothing

BEETHOVEN...

Sinfonien. Tut mir leid für diese langweilige Antwort; aber es war das erste, was mir in den Kopf kam. Der Grund dafür ist, dass wir gestern in diesem Saal gespielt haben, für den mir das englische Wort "posh" einfällt - ich glaube, es gibt keine Übersetzung dafür. Ein Saal mit zwei Steinway-Flügeln und einer klassischen Gediegenheit. Und überall in diesem Gebäude befanden sich die Noten von Beethoven-Sinfonien an den Wänden.Eine regelrechte Beethoven-Sinfonie-Welt.

PRINCE...

Als erstes fällt mir der Begriff "Vergeudung" ein. Ich glaube, bei ihm liegt ein grosses Potential vor - aber vieles davon wird einfach vergeudet. Das schliesst übrigens nicht aus, dass er noch grossartige Dinge macht - und früher gemacht hat.

JOHN CAGE...

Der grosse Experimentierer. Ich muss zugeben, dass ich gerne mehr über ihn wüsste. Ich kenne nicht alles, was er komponiert und geschrieben hat.

BEATLES...

a very good band

JOHN ZORN...

Ich kenne nicht viel von ihm - aber das mag ich. Neulich hat er in England in einem Interview gesagt: "Ich habe mein ganzes Leben lang damit verbracht, all meinen Verwandten, die immer meinen, ich sollte was Anderes machen, durch meine Musik zu sagen: Haltet endlich die Klappe!"

KARLHEINZ STOCKHAUSEN...

Mysteriös. Wiederum einer, von dem ich interessante Dinge gehört habe... ich würde ihn gerne treffen.

MADONNA...

Ich kann nicht nachvollziehen, warum man überhaupt von ihr Notiz nimmt.

MILES DAVIS...

Ein grosser Bandleader und fantastischer Trompeter. Er ist oft missverstanden worden, und es ist schon komisch, was über ihn geschreiben wurde. Etwa so: "Obwohl sein Trompetenspiel nicht auf der Höhe der Zeit war, hat er doch die Musik neu erfunden". Ich denke, er hat nicht die Musik neu erfunden, er war an der richtigen Stelle zu Zeiten des Wandels, und es ist ihm gelungen, den Dingen eine Form zu geben und dann darüber auf die allerwahnsinnigste Art seine Trompete zu spielen - mit einem Sound, den man einfach nicht nachbilden kann.

PAVAROTTI...

Eine schöne laute Stimme.

(lacht)

ALBERT MANGELSDORFF...

Ein sehr sympathischer Mann. Ich habe ihn mal getroffen. Ich kenne ihn nicht sehr gut, hatte aber ein gutes Gefühl bei ihm. Von ihm habe ich mir eine Platte gekauft, die ganz gewiss kein Fehlkauf war: Mangelsdorff mit Elvin Jones und - ich glaube - Palle Daniellson. "The Wide Point".

ZAPPA...

Löst bei mir gemischte Gefühle aus. Ich war sehr beeindruckt - komisches Wort, nicht?... weil es nicht bedeutet: Ich mag die Musik - ich war sehr beeindruckt davon, wie er sich die Urheberrechte an seiner Musik erhalten oder sie wieder zurückerworben hat. Ein sehr schwieriger Teil des Musikerlebens besteht nämlich darin, wie man seine Musik zu den Leuten bringt, ohne die Rechte daran zu verlieren. Ich habe weiterhin gemischte Gefühle, wenn ich seine Bücher lese. Nach 5 Seiten bin ich belustigt und werfe sie in die Ecke. Das ist eine solche Sturzflut an negativer Energie und Angewidertsein. Nein, mit seinen Orchesterwerken bin ich nicht vertraut. Ich bin übezeugt, dass sie handwerkich sehr gut gelungen sind, aber wahrscheinlich werde ich sie "kalt" finden.

REIF FÜR DIE INSEL - DIESE PLATTEN NEHME ICH MIT...

"Bye Bye Blackbird" von John Coltrane. Diese Aufnahme lief im Ronnie Scott´s Club immer in der Pause zwischen der ersten und der zweiten Band. Deshalb verbinde ich sie mit diesem Ort. Das Stück hat eine sehr eigenartige Form. Nach dem Thema spielt Coltrane - aber nur wenig, ein für seine Verhältnisse sehr kurzes Solo. Dann folgen ein sehr langes Piano- und ein sehr langes Bass-Solo, was man im Club nicht sehr gut hören konnte. Dann spielt Coltrane das Thema wieder, und die letzte Phrase, der turnaround, wird zu einem Stück von epischen Ausmassen. Das ist so kurios, aber gleichzeitig auch so jazz-typisch und so exzentrisch.

(- macht das lautmalerisch nach -)

Ich werde mich bei den weiteren Platten kürzer fassen.

Charles Mingus, "Mingus A Hum". Da ist "Jelly Roll Soul" mit drauf. Die Stücke sind klasse, und die Interpreationen auch, wie in einer Workshop-Band. Es ist ein sehr avanciertes Gruppen-Konzept, mit den drei improvisierenden Saxophonisten, das hat viele beeinflusst.

"Waltz for Debbie", Bill Evans.

Charlie Parker, "Bird is Free". Das ist eine Live-Aufnahme, die beste Aufnahme überhaupt, die ich von Charlie Parker kenne - wahrscheinlich weil kein Produzent dabei war. Der sagt: "spiel´ die Soli kürzer!"

Da ich mich ohnehin rückwarts in der Zeit bewege, wäre es gut, was von Jelly Roll Morton auf die einsame Insel mitzunehmen.

Und nun wieder vorwärts - etwas von Weather Report. Fast alle ihre Platten sind gut, jedes Stück hat einen spezifischen Geschmack.

Vieles, was ich höre, ist nicht Jazz.

Was ich oft in der Musik suche, ist Groove, rhythmische Kleinigkeiten, die einen glücklich machen, die Luft auf eine ganz bestimmte Art zum Vibrieren bringen. also z.B. Earth, Wind And Fire, oder Stevie Wonder "Songs in the Key of Life". Die sind gut.

Es gibt einen Grund, warum ich eine Platte von mir mitnähme. Als ich die erste Platte für jmt produziert habe, "Summer Fruits and unrest", war dies - aus verschiedenen Gründen - mit die schönste Zeit meines Lebens. Alleine schon die Atmosphäre, mit so vielen Leuten im Studio zu sein; dass ein netter Mann aus Deutschland auch noch dafür bezahlt; dass jeder die Chance bekommt, auf in seiner Eigenart repräsentiert zu werden - es gibt so viele schöne Datails in dieser Aufnahme, dass ich sie gerne dabei hätte, als Erinnerung an alle diese Menschen.

Und dann gibt es da noch das Stück "Little Petherick". Wenn man ein Stück komponiert, dann hört man es nie, wie das Publikum es hört. Es gibt kein "erstes Mal", weil man es ja aus dem Nichts zu etwas aufbaut, man kennt es nur aus einer Perspektive.

Es gibt aber ein Stück von mir, das sich anhört, als habe jemand anders es komponiert - ich kann mich gar nicht erinnern, es geschrieben zu haben. Das ist "Litte Petherick". Und auch das erinnert mich an jene Zeit.

 

 

 

 

©2002 by Michael Rüsenberg